Vorarlberger Mundart, Region Walgau/Bludesch
Zum Wörterbuch1. Schreibweise
Wörter im Dialekt sind immer in der Diethschriebung geschrieben.
1.1. Vokale
Lange Vokale werden immer doppelt geschrieben, kurze immer einzeln. Das Dehnungs-h oder e (z.B. Bühne, Biene) wird nie verwendet.
Vokale | vorne, gerundet | hinten |
---|---|---|
geschlossen | i, ü | u |
ì, ǜ | ||
mittel | e, ö | o |
è, ö̀ | ò | |
offen | ä | a |
Da langes ü, i und ö immer geschlossener sind und die kurzen Varianten immer offener, wird in der Schrift nicht unterschieden und immer die Form ohne Gravis verwendet. Lediglich zwischen o, ò, è und è wird unterschieden.
Beispiele
Vokal | Phonem IPA | deutsches Beispiel | Beispiel Dialekt | auf Deutsch |
---|---|---|---|---|
a | /a/ | Kamm | Halla | Halle |
aa | /aː/ | kam | Staa | Stein |
e | /e/ | stehlen | ener | dieser |
ee | /eː/ | keera | kehren | |
è | /ε/ | echt | echt | echt |
èè | /εː/ | Käse | ||
ä | /æ/ | ∅ | Päss | Pässe |
ää | /æː/ | ∅ | Hääs | Kleidung |
ö | /œ/ | Hölle | Dökter | Doktoren |
öö | /øː/ | Höhle | hööer | höher |
i | /ɪ/ | Mitte | i | in |
ii | /iː/ | Mieter | wiitr | weiter |
ü | /ʏ/ | Müller | hüt | heute |
üü | /yː/ | Mühle | Hüüt | Häute |
u | /ʊ/ | Mutter | Buttr | Butter |
uu | /uː/ | Mut | Truuba | Trauben |
o | /o/ | ∅ | offa | offen |
oo | /oː/ | Ofen | oo | auch |
ò | /ɔ/ | offen | hòmma | heroben |
òò | /ɔː/ | ∅ | òòbr | aper |
Diphtonge/Zwielaute werden phonetisch geschrieben
Dialekt | Deutsch |
---|---|
au | au |
aü | eu/äu |
ai | ei/ai |
üa | |
ia | |
äa | |
ua |
1.2. Konsonanten
- St und sp werden werden ident wie im Deutschen geschrieben. Falls sie an anderen Positionen auch scht umd schp gesprochen werden, werden es auch mit sch geschrieben.
kurz/schwach | lang/stark |
---|---|
b | p/pp |
d | t/tt |
g | k/ck |
f (v) | ff |
s | ss |
m | mm |
n | nn |
l | ll |
r | rr |
Die Lautdoppelung sagt aber nie etwas über die Länge des Vokals davor aus. Ofa (Ofen) und offa (offen) unterscheiden sich nur durch die „Härte“ oder „Schärfe“ des f-Lauts.
2. Lautlehre
- Ein e oder er am Ende eines Wortes wird wie im Deutschen meist als Schwa ([ə]) gesprochen, das r wird aber immer ausgesprochen.
- Das r wird als [ʀ] realisiert.
- Anders als im Deutschen wird zwischen dem offenen und geschlossenen o unterschieden, sie bilden unterschiedliche Phoneme. los (/los/, Hör!) und lòs (/lɔs/, Lass!) bilden ein Minimalpaar.
2.1. Vokale und Diphtonge
Das Alemannische hat die frühneuhochdeutsche Monophongierung nicht übernommen und bleibt so im archaischeren Zustand. Die mittelhochdeutschen Diphtonge ie (iə), uo (uə) und üe (yə) wandelten sich im Deutschen zu ie iː, u uː und ü yː.
Mittelhochdeutsch | Dialekt | Deutsch |
---|---|---|
ie | ia | ie/langes i |
tier | Tiar | Tier |
lieb | liab | lieb |
brief/briaf | Briaf | Brief |
uo | ua | langes u |
kuo | Kua | Kuh |
bruoder | Bruadr | Bruder |
huot | Huat | Hut |
üe | üa | langes ü |
vrüe | früa | früh |
brüedr | Brüadr | Brüder |
brüeven/prüeven | prüafa | prüfen |
Auch die neuhochdeutsche Diphtongierung von wurde nicht übernommen, bei der die langen Vokale ī, ū und iu (ü gesprochen) zu ei, au und eu/äu wurden.
Mittelhochdeutsch | Dialekt | Deutsch |
---|---|---|
ī | ii | ei |
dīn | din | dein |
wīt | wiit | weit |
trīben | triiba | treiben |
mūs | uu | au |
mūs | Muus | Maus |
lūt | luut | laut |
mūre | Muur | Mauer |
iu (langes ü) | üü | eu/äu |
viur | füür | Feuer |
tiur(e) | tüür | teuer |
liute | Lüüt | Leute |
2.2. Konsonanten
K, P und T werden im Standardeutschen aspiriert, also mit einem Luftstoß ausgesprochen, als Pʰ, Tʰ und Kʰ. In Süddeutschland, Österreich und der Schweiz hingegen meist ohne diesen Luftstoß. Im Dialekt werden diese nie aspiriert, was dazu führt, dass b und p, g und k, d und t oft sehr ähnlich klingen.
St, sp werden immer schp und scht gesprochen, nicht nur am Silbenanfang.
Deutsch | Dialekt |
---|---|
Ast | Ascht |
Kiste | Kischta |
Knospe | Knoschpa |
Ein -ig am Wortende wird immer -ig und nie als -ich oder -isch gesprochen.
3. Verben
Viele gängige Verben sind sehr kurz, meist mit einem langen, offenen o (òò) oder langem geschlossenen e (ee).
Deutsch | Dialekt |
---|---|
gehen | gòò |
kommen | kòò |
lassen | lòò |
haben | hòò |
stehen | stòò |
geben | gee |
nehmen | nee |
sein | sii |
3.1. Partizip Präsens
3.2. Imperativ
Einige Verben haben besondere Imperativformen.
Deutsch | Dialekt |
---|---|
Steh! | Stand! |
Geh! | Gang! |
3.3. Vergangenheit
Das Partizip Perfekt wird mit g- statt mit ge- gebildet. Ausnahme sind Wörter, die mit b/p, g/k oder d/t beginnen, hier fällt das g ganz weg. Bei diesen wird im Partizip das b, g und d sehr hart, fast wie ein p, k oder t ausgesprochen. Es kann zur Verdeutlichung auch mit einem doppelten d, t oder g geschrieben werden.
Deutsch Inf. | Partizip | Dialekt Inf. | Partizip |
---|---|---|---|
hören | gehört | hööra | ghöört, khöört |
gehören | gehört | ghööra, kööra | ghöört, khöört |
sehen | gesehen | sacha | gsacha |
hocken | gehockt | hocka | ghockt |
stehlen | gestohlen | stäla | gschtola |
stehen | gestanden | stòò | gschtanda |
graben | gegraben | graba | graba |
kochen | gekocht | kocha | kocht |
binden | gebunden | binda | bunda |
plagen | geplagt | plòòga | plòògt |
drücken | gedrückt | drucka | druckt |
tragen | getragen | trääga | treet |
Es existiert kein Präteritum (Mitvergangenheit), stattdessen wird immer das Perfekt benutzt.
Präteritum | Perfekt | Dialekt |
---|---|---|
ich war | ich bin gewesen | i bi gsii |
du hattest | du hast gehabt | du hòsch ket |
er nahm | er hat genommen | èr hòt gnòò |
wir spielten | wir haben gespielt | miar hòn gschpilt |
sie sahen | sie haben gesehen | si hòn gsacha |
Die Vorvergangenheit (Plusquamperfekt) wird meist mit dem Doppelperfekt ausgedrückt.
Plusquamperfekt | Doppelperfekt | Dialekt |
---|---|---|
er hatte genommen | er hat genommen gehabt | èr hòt gnòò ket |
sie hatten gesehen | sie haben gesehen gehabt | si hòn gsacha ket |
3.4. Zukunft
Das Futur mit Hilfsverb wird nicht verwendet. Stattdessen wird sie einfach mit dem Präsens oder mit nò (noch), den (dann), einer Zeitangabe oder einer beliebigen Kombination derer ausgedrückt.
Deutsch | Dialekt | ||
---|---|---|---|
Ich werde gehen. | I gang den. | I gang ètz den. | |
Sie werden kommen. | Si kòn nò. | Si kòn den bald. | |
Ich werde kochen. | I koch nò. | I koch den nò. | I koch am nòmitag. |
Bestimmte Verben aktzeptieren auch eine Form von kommen als Hilftverb, das betrifft vor allem Wörter im Zusammenhang mit dem Wetter.
Deutsch | Dialekt |
---|---|
Am Nachmittag wird es schneien. | Am nòmitag kunts schnaia. |
Morgen wird es regnen. | Mòrn kunts règna. |
3.5. Progressiv
4. Nomen
4.1. Genitiv
Der Genitiv/2. Fall existiert überhaupt nicht mehr, höchstens noch im erstarrten Ausdrücken. Er wird immer mit einer Possessivkonstruktion, dem Dativ ausgedrückt, entweder mit von oder einem Personalpronomen (sein, ihr, …).
- Antons Mutter → die Mutter vom Anton, dem Anton seine Mutter → d Muatr vom Antòn, am Antòn sìne Muatr
- das Haus der Nachbarn → das Haus von den Nachbarn, den Nachbarn ihr Haus → ds Huus vo da Nòòchbuura, dr Nòòchbuura iar Huus
4.2. Akkusativ
Der Akkusativ/4. Fall ist meist mit dem Nominativ zusammengefallen und sieht auch ident aus (Akkunominativ). Somit gibt es praktisch nur noch zwei Fälle.
Ich kenne Thomas auch. | I kèn dr Thomas oo. |
Ich habe den Balkon renoviert. | Ii hòn dr Balkòòn renoviart. |
4.3. Nominalisierung
mit ate
4.4. Artikel
Bei Personen wird dem Namen immer der bestimmte Artikel vorgestellt. Im Standarddeutschen kann das abwertend gemeint sein, im Dialekt trägt es aber keine weitere Bedeutung.
- Ich rufe Thomas an. → Ich rufe den Thomas an. → I lüüt dr Thomas aa.
- Er hat sich mit Melanie getroffen → Er hat sich mit der Melanie getroffen. → Er hòt sich mit dr Melanie trofa.
Deklination
ein, eine, ein | Singular m. | Singular w. | Singular n. | Plural |
---|---|---|---|---|
Akkunominativ | an | a | a | ∅ |
Dativ | anam | anra | anam | ∅ |
der, die, das | Singular m. | Singular w. | Singular n. | Plural |
Akkunominativ | dr | d | ds, z | d |
Dativ | am | dr/da | am | dr/da |
4.5. Personalpronomen
Deklination
Akkunominativ | Singular | Plural |
---|---|---|
1. Person | i | mir/miar |
2. Person | du | iar |
3. Person | èr, si, es | si |
Dativ | Singular | Plural |
1. Person | mir/miar | üüs |
2. Person | dir/diar | aü |
3. Person | em/am, èra/iara, am | ena |
4.6. Reflexivpronomen
Deklination
sich | Singular | Plural |
---|---|---|
1. Person | mi(i) | üüs |
2. Person | di(i) | aü |
3. Person | sich | sich |
4.7. Possessivpronomen
Deklination
mein | Singular m. | Singular w. | Singular n. | Plural |
---|---|---|---|---|
Akkunominativ | min | miine | mi/miis | miine |
Dativ | mim/miinam | miina/miinra | mim/miinam | miina/miinra |
dein | Singular m. | Singular w. | Singular n. | Plural |
Akkunominativ | din | diine | di/diis | diine |
Dativ | dim/diinam | diina/diinra | dim/diinam | diina/diinra |
sein | Singular m. | Singular w. | Singular n. | Plural |
Akkunominativ | sin | siine | si/siis | siine |
Dativ | sim/siinam | siinr/siinra | sim/siinam | siina/siinra |
ihr | Singular m. | Singular w. | Singular n. | Plural |
Akkunominativ | iar | iare | iar | iare |
Dativ | iaram | iara | iaram | iara |
unser | Singular m. | Singular w. | Singular n. | Plural |
Akkunominativ | üüsr | üüsre | üüsr | üüsre |
Dativ | üüsram | üüsra | üüram | üüsra |
euer | Singular m. | Singular w. | Singular n. | Plural |
Akkunominativ | äüer | äüre | äüer | äüre |
Dativ | äüram | äüra | äüram | äüra |
4.8. Demonstrativpronomen
jener/jene/jenes | Singular m. | Singular w. | Singular n. | Plural |
---|---|---|---|---|
Akkunominativ | enr | ene | enes/es | ene |
Dativ | enam | enra | enam | ena |
der/die/das | Singular m. | Singular w. | Singular n. | Plural |
Akkunominativ | dèèr | dia | dees | dia |
Dativ | dem | dèra | dem | dena |
Dieser, diese und dieses existieren zwar, haben aber immer die Bedeutung andere, anderer, anderes.
Singular m. | Singular w. | Singular n. | Plural | |
---|---|---|---|---|
Akkunominativ | disr | disè | disas | disè |
Dativ | disam | disra | disam | disra |
4.9. Indefinitpronomen
Deutsch | Dialekt |
---|---|
alle | ale |
alles | als |
beide | beede |
ein bisschen | a bizle |
etwas | epas |
jeder | jeder |
jemand | eprt |
keiner | kaaner |
man | ma |
niamand | niamand |
nichts | nix |
4.10. Relativpronomen
Meist wird an der Stelle von der, die, das, welcher, welche, welcher, wer und was wo allein verwendet.
- Min Nòòchbuur, wo all sövl Lärm macht, züüt baald uus.
- I hòn d Nummratafl vom Auto, wo mii agfaara hòt, uufgschriba.
4.11. Diminutiv/Verkleinerungsform
Endet auf -le, statt auf -chen oder -lein
Deutsch | Dialekt |
---|---|
Haus/Häuschen | Huus, Hüüsle |
Wohnung, - | Wòònig, Wöönigle |
-, Leibchen (Oberteil) | -, Liible |
5. Bedeutungen
Die meisten Wörter haben im Dialekt dieselbe Bedeutung wie im Standarddeutschen. Es gibt aber auch Wörter die entweder nur im Dialekt oder nur im Deutschen verwendet werden, oder im Deutschen eine andere Bedeutung haben. Mitunter existieren sie auch in der anderen Sprache, sind aber veraltet oder nicht mehr im Gebrauch.
5.1. Nur im Dialekt weit verbreitet
Dialekt | Deutsch |
---|---|
Biiga | Stapel (bes. Holz), auch südd. Beige |
biigna | aufstapeln (bes. Holz) |
bisla | urinieren |
Blòòtra | Blase |
Füdla | Hintern |
fürba | (Dreck) kehren |
Gäälrüable | Karotten |
Gäalta, Gèèlta | Zuber |
giiga | wippen |
Goog, Goof | Kind |
Grumpiira | Kartoffeln (=Grundbirnen) |
gumpa | springen |
Hääs | Kleidung |
Känner | Dachrinne |
Kriasi | Kirschen |
losna | (zu)hören |
lätz | verkehrt, schlecht |
luaga | schauen, ansehen, lugen |
lupfa | heben, anheben |
niana | nirgends |
pääfzga | kläffen (auch Personen) |
Pflättra | Pfütze, Lacke, Kuhschiss |
Säges | Sense |
Schnatta | Schnittwunde, Kratzer |
schoppa | hineinstopfen, auch südd. schoppen |
räära | weinen |
schucka, schupfa | stoßen |
tòòra | herumsauen, bes. Wasser verschütten |
triala, trääla | sabbern |
troola | fallen, stürzen |
trümlig | schwindlig |
tschòòga | Bein |
Tschoopa | Jacke |
Zääna | Korb |
5.2. Im Dialekt eine andere Bedeutung als im Standarddeutschen
Dialekt | Deutsch |
---|---|
aalega | anziehen, ankleiden |
Fuas | Fuß, oft auch das ganze Bein |
heba | halten (nicht anheben) |
Luft | Wind |
Muul | Maul (neutral), Mund |
schaffa | arbeiten |
schmecka | riechen, schmecken |
wüscha | (Dreck) kehren, wischen |
6. Sonstiges
6.1. Verschwinden des End-n
Bei vielen einsilbigen und fast allen zwei- und mehrsilbigen Wörtern ist das n am Ende verschwunden.
Verben im Infinitiv
- bringen → bringa
- fliegen → flüga
Nomen im Plural
- Ziege, Ziegen → Ziaga, Ziaga
- Bär, Bären → Bär, Bära
Nomen im Dativ
- auf den Bänken → uf da Bänk
- in den Häusern → i da Hüüsr
- den Nachbarn → dr Nòòchbuura
Allgemein
- in → i
- an → a
- Mann → Maa
- Zahn → Zaa
- zehn → zeha
- gern → gära
-ana Plural?
6.2. Fugen-n
6.3. Infinitivpartikel
Häufig wird auch das Infinitivpartikel ge/gè (von gehen) verwendet.
- I muas nò ge kocha gòò. → Ich muss noch gehen kochen gehen.